Liebe Vorstände,
in den letzten Wochen kursierten ja einige Horrormeldungen in den Medien und Sozialen Netzwerken was das Singen, bzw. die Durchführung von Chorproben in Corona Zeiten betrifft:
Da gab es Empfehlungen der Deutschen Stimmklinik. Allerdings handelt es sich hier natürlich nicht um eine irgend geartete staatliche Institution. Es ist eine Privatklinik. Diese hat in unverantwortlicher Weise Ängste geschürt und sich dabei auf Argumente verlegt, die völlig an den Haaren herbei gezogen sind.
Unter anderem beziehen sie sich auf einen Artikel in der Neuen Züricher Zeitung vom 1.4.2020. Dort wird von einer Chorprobe in den USA berichtet, wo sich trotz Abstand halten und Handdesinfektion ein großer Teil der Sänger angesteckt haben soll. Die Probe muss also einiges vor dem 1. April statt gefunden haben. ich habe meine letzten Proben am 12. März gehalten. Bis dahin hat in meinen Chören noch niemand an auf Sicherheitsabstände geachtet. Donald Trump hat ungefähr zur selben Zeit noch behauptet, dass es Corona gar nicht gäbe. Und dann soll in der USA eine Probe stattgefunden haben, wo schon auf Sicherheitsabstand und Hygiene geachtet wurde. Mir erschien das von Anfang als sehr fraglich und ich kann mir bis heute nicht erklären wie eine renommierte Zeitung wie die Züricher so etwas nicht hinterfragt.
In ähnlicher Weise berichtet der NDR von einer Probe der Berliner Domkantorei. Die dort beschriebene Probe fand am 9. März statt. Da hat noch niemand von Abstandsregeln gesprochen. Da muss man auch mal den Zeitfaktor sehen, wann was bekannt war. Es kann mir niemand erzählen, dass die Sänger dort alle genügend Abstand hatten. Und der Chorleiter war bestimmt nicht nur 5 Meter von den Sängern weg. Gerade in solchen Chören ist es sogar normal, dass der Chorleiter jeden Sänger einzeln begrüßt. Bei einigen von euch wurden in derselben Woche noch Geburtstagsständchen gesungen, mit Umarmen und gemeinsamen Trinken. Der Berliner Chor war in Vorbereitung auf ein großes Konzert: Das war also nicht die einzige Probe, die die im Monat hatten. Vielleicht probte der Chor sogar öfter in der Woche, was vor so nem Konzert nicht ungewöhnlich wäre. Ich weiß gar nicht, was ich noch aufzählen soll. Der ganze Artikel ist völlig indiskutabel, wenn es darum geht, dass er als Schablone dienen soll für die Wiederaufnahme von Proben zum jetzigen Zeitpunkt mit allen Sicherheitsmaßnahmen, die momentan in der Diskussion sind.
Ebenfalls waren die Empfehlungen der evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland nicht sehr hilfreich. Um überhaupt Gottesdienste wieder zu ermöglichen wurde hier die Kirchenmusik zunächst mal außen vor gelassen. das verstärkte den Eindruck, dass Singen irgendwie besonders gefährlich sein könne.
Nun haben sich dankenswerterweise 2 Institutionen für eine wissenschaftliche Studie zur Verfügung gestellt. Die Bamberger Symphoniker testeten die Strömungsverhältnisse und die Ausbreitung der Aerosole sowohl bei Instrumenten als auch bei Sängern (klassischer und populärer Gesang). Unabhängig davon führte die Bundeswehruniversität München in Kooperation mit den Salzburgern den gleichen Test durch. Hier wurde ebenfalls Gesang getestet. Das Ergebnis ist sehr eindeutig. Ein Abstand von 1,5 bis 2 Metern ist zur Sicherheit eines jeden einzelnen Choristen völlig ausreichend. Die Übertragung beim Singen ist im Prinzip gleich dem ganz normalen Sprechen. Ab 0,5 Meter vor dem Mund ist absolut keine Strömung mehr messbar. Ich möchte hier noch hinzufügen, dass die Sänger in der Probe sich ja nicht gegenseitig ansingen, sondern nach vorne auf den Chorleiter zielen. Dieser steht ohnehin mindestens 2 Meter entfernt von jedem Sänger. Ich habe die Links zu den einzelnen Studien unten angefügt.
Chormitglieder, damit sich die falschen Darstellungen erst gar nicht weiter verbreiten. Singen ist unser aller Hobby und das sollten wir uns nicht vermiesen lassen, vor allem wenn klar ist, dass die Realität des Singens eine andere ist.
Hier die einzelnen Links:
https://www.mh-freiburg.de/hochschule/covid-19-corona/risikoeinschaetzung/ (wem der Artikel zu lang ist kann nach unten scrollen bis er zu Chorsingen kommt)
https://www.katholisch.de/artikel/25405-05-07-newsticker-corona-und-die-kirche (etwas nach unten scrollen zu 18:35 Uhr: Bundewehr Uni)
https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/leitfaden-fuer-klassische-konzerte-trotz-corona-konzept-mit-charite-wissenschaftlern-erarbeitet-100.html (Video schauen, Singen spielt zwar hier nicht so eine Rolle, der Beitrag ist insgesamt aber sehr empfehlenswert)
Ich kann alle nur dazu ermuntern dies möglichst weit zu verbreiten. Bitte informiert auch alle Chormitglieder, damit sich die falschen Darstellungen erst gar nicht weiter verbreiten. Singen ist unser aller Hobby und das sollten wir uns nicht vermiesen lassen, vor allem wenn klar ist, dass die Realität des Singens eine andere ist.