In welchem Umfeld bewegt sich, wer öffentliche Aufmerksamkeit für Chöre und Chorverbände wecken will ?
Stellen Sie sich vor, jemand erzählt Ihnen einen Witz oder eine Geschichte. Beim Witz kommt er ins Stottern, weil er die Pointe zu früh verrät. Bei der Geschichte verliert er sich in Einzelheiten, man kommt kaum noch nach, den roten Faden im Kopf zu behalten. Was passiert dann? Sie werden über den Witz nicht lachen können. Und bei der langen, verworrenen Geschichte schalten Sie irgendwann ab. Sie könnten sie hinterher nicht vollständig wiedergeben.
Derjenige, der Ihnen etwas nahe bringen wollte, hätte in beiden Fällen daneben getroffen.
So kann es auch passieren, wenn man eigentlich Öffentlichkeitsarbeit betreiben will. Denn dort gilt genau wie beim Witze- oder Geschichten-Erzählen: Entscheidend ist der Empfänger. Nur was bei ihm in der gewünschten Form „ankommt“, hat auch die erwartete Wirkung.
Kunden-Orientierung, das Geheimnis wirklich erfolgreichen Verkaufens, ist also Voraussetzung Numero eins für gute Arbeit mit der Öffentlichkeit. Das gilt für jede Berührung mit der Öffentlichkeit — also fürs Konzert vor Publikum ebenso wie für das Gespräch mit Politikern oder für den Brief an die örtliche Zeitung. In dieser Betrachtung des Themas Öffentlichkeitsarbeit soll beispielhaft die Rede sein, ausschließlich von den Grundlagen der Arbeit mit den Medien und ihren Repräsentanten. Sie sind und bleiben die wichtigsten Mittler zwischen denen, die etwas sagen und verbreiten wollen und denen, die als Empfänger der Botschaft in Frage kommen.
Allein mit zielgenauer Kundenorientierung sind die größten Medienerfolge in Deutschland zu erklären: die weit über vier Millionen täglich verkauften Exemplare der BILD-Zeitung, der Aufstieg des Magazins FOCUS. Aber auch die stabil über jahrzehnte gehaltene Nummer-Eins-Position des SPIEGEL oder der ARD-Tagesschau.
Jedes dieser völlig unterschiedlich konzipierten Medienerzeugnisse hat eine unverwechselbare Identität erreicht, die sehr präzise auf die jeweilige Kundenstruktur ausgerichtet ist: BILD fühlt heute wie vor 50 Jahren vorweg, was die Frau/der Mann auf der Straße am nächsten Tag zum Ehedrama der Uschi Glas fühlen wird. FOCUS hat die sinkende Lese-Bereitschaft der Deutschen aufgefangen durch präzise Kürze. Zugleich wurde die durch tägliches Fernsehen gewachsene Erwartung an optische Reize „bedient“ durch viele Fotos, Farbe, bunte und schnell begreifbare Grafiken.
Der SPIEGEL hat dem optischen Trend ein Stück nachgegeben, zugleich aber seine Kompetenz bei den immer noch ausführlichen kritischen Texten erhalten: Es wurden zahlreiche erstklassige Schreiber neu hinzugewonnen.
Und die Tagesschau? Auch sie hat ihr optisches Bild der neuen Zeit und den Möglichkeiten neuer Technik angepasst, zu gleich aber auf jeden Magazin-Schnick-Schnack verzichtet. Sie bleibt für zig Millionen Deutsche „die“ seriöse und schnelle Nachrichtenquelle zum Beginn des Abends, trotz vielfacher Konkurrenz.
Führen wir uns die genannten Produkte vor Augen, dazu vielleicht Ihre regionale Abonnementszeitung, ein musikalisches Fachblatt, das regionale Rundfunk- und TV- Fenster, eine bundesweit erscheinende Tageszeitung, die Nachrichtenagentur dpa, eine Fernsehzeitschrift und eventuell noch das örtliche Anzeigenblatt — und schon ist beschrieben, welche Medienformen als „Kunde“ für Witze, Geschichten, Informationen oder Glossen, Reportagen oder schlichte Nachrichten aus dem Bereich der Chöre in Frage kommen. Es sind ausnahmslos Medien, die gewöhnlich in eigenen Redaktionen bearbeiten, was an „Rohmaterial“ an sie herangetragen wird. Das Internet als Medium der selbstgestalteten Direktvermarktung kann in diesem Teil der Erörterungen zunächst unerwähnt bleiben.
„Jeder Jeck ist anders“, sagen die Kölner nicht nur im Karneval. Jedes elektronische und jedes Print-Medium ist es auch. Damit ist schon ein Grund dafür beschrieben, weshalb Chöre und ihre Produktionen so unter schiedlich „ankommen“ bei den verschiedenen Medien.
Für BILD fehlt entweder der allgemein interessierende Skandal, oder es fehlt der Bezug zu einem allgemein bekannten, prominenten Namen. Gleiches gilt für Illustrierte oder YeIlow Press. In die „Tagesschau“ kann man nur kommen, wenn die angebotene Nachricht Millionen Deutsche auch ohne musikalisches Grundwissen bewegt, wenn sie also prinzipiell „politisch“ und wenn sie wirklich neu ist.
Die bundesweit erscheinende FAZ, Welt oder „Süddeutsche“ nähme sich des Chor-Themas an, wenn es die Voraussetzungen für die Tagesschau erfüllte — oder wenn es die hohen Ansprüche einer Gesellschaftsreportage oder einer feuilletonistischen Neuheitenbesprechung erfüllte.
Den SPIEGEL könnte ein Chorthema interessieren, wenn sich dahinter entweder politische Rückständigkeit oder ein bahn brechend neuer Kultur-Trend belegen ließe. Der Lokalzeitung hingegen ist wichtig, über ein Ereignis mit vielen hundert Teilnehmern zu berichten oder über einen großen Verein — auch, weil sie damit „ihre Klientel erreicht und zufrieden stellt die Freunde und Verwandten und Förderer, das gesamte Umfeld eines Vereins also.
Wie also umgehen mit dieser verschachtelten und verzwickten Welt der Öffentlichen Meinung?
Erinnern Sie sich an den Beginn dieser Ausführungen: Wer Kunden gewinnen will, muss sein Erscheinungsbild und seine Produkte so nahe wie möglich an die Bedürfnisse dieser Kunden heranbringen. Das heißt für
Öffentlichkeitsarbeiter:
• Definieren Sie sich (Ihren Verein, Ihren Verband) selbst punktgenau, und zwar so weit wie möglich mit den Augen und aus dem Blickwinkel des Publikums, das Sie ansprechen wollen: Wo kommen Sie her? Wo wollen Sie hin? Was unterscheidet Sie von vergleichbaren Anbietern? (Beispiel: Der DSB ist der mitgliederstärkste Verband der Chor-Amateure. Der DSB ist Deutschlands jüngster Chor-Verband mit über 100 000 jungen Mitgliedern. Der DSB ist Deutschlands erfahrenster Chorverband — seit 140 Jahren.)
• Definieren Sie Ihr Produkt, Ihr Konzert, Ihre Veranstaltung oder auch Ihre Forderung — also Ihre Botschaft an die Öffentlichkeit — punkt- und zielgenau in Richtung derer, die Sie erreichen wollen. (Beispiel: „Singen macht Freude. In der Schule lernst Du rechnen. Bei uns lernst Du Freude“).
Einmaligkeit ist dabei übrigens besser als die unter Chören so beliebte Vielfalt. Ein Programm mittelalterlicher Sakralmusik lässt sich eindeutiger ankündigen als der „bunte Strauß beliebter Melodien“. Die „Deutsche Meisterschaft der Chöre“ wäre leichter vermittelbar als der komplizierte „Deutsche Chorwettbewerb“ oder das in jedem Bundesland unterschiedliche „Meisterchorsingen“.
In der Werbung wie in den professionell auf Erfolg getrimmten Medien lautet die Frage nach dem Wert oder Gewicht eines Themas oft:
„Wo liegt der usp, der unique selling point?“ Wer die Frage nach der Besonderheit, möglichst der Einzigartigkeit des Angebotes beantworten kann, muss sich danach um das erhoffte Medienecho weniger Sorgen machen.
• Zusätzliche Aufmerksamkeit erfährt in den Medien (lokal bis national), wer das Bedürfnis nach human touch, nach menschlicher Anrührung also, befriedigen kann. Wer schon nicht den Blick durchs Schlüsselloch Prominenter anbieten kann, der sollte zumindest einen Blick auf die Menschen zulassen, die hinter dem Verein, einer Veranstaltung, einer Idee stehen: So ist der Feuerwehrchef, der jede Woche im 2. Bass seinen Mann steht, zumindest fürs Lokalblatt immer ein Thema. Oder der Oberarzt im 1. Tenor. Und wenn sich in den Proben des Gemischten Chores Eheglück entfaltet hat, wäre auch dies gewiss lokaler Erwähnung wert.
• Vergessen Sie Pfiffigkeit und Humor nicht bei der Ausgestaltung Ihrer Produkt-/Veranstaltungsidee. Die Menschen mögen diejenigen lieber, die auch über sich selbst lachen können. Bierernst ist schon die Berufswelt, die je der täglich erlebt.
• Ein Bild sagt mehr als Worte — zumal in dieser TV-dominierten Welt. Sorgen Sie für Bildmotive, halten Sie viel leicht gute Bilder bereit.
• Nach all diesen Hinweisen wird es Ihnen leichter fallen, die selbst (oder von befreundeten Fachleuten) gestalte tete homepage im Internet so herauszubringen, dass auch dort alle Informationen „überkommen“ und möglichst sogar ein reger Austausch über den Bild schirm zu Stande kommt.