Geschichte des Westerwaldkreises
(aus dem Festbuch des Sängerkeises Unterwesterwald anlässlich des 75jährigen Jubiläums 1997)
http://www.westerwald-kreis.de
Der Westerwald war über Jahrhunderte Grenzraum ohne starke politische und kulturelle Zentrierung. Er war Grenzzone Kurkölner und Kurtrierer Einflüsse, die aber den Herrschaftsbereichen des eingesessenen Adels, so der Herren bzw. Grafen von Sayn, Westerburg, Wied und Nassau, genügend Raum ließen. In den Stürmen der französischen Revolution zerfielen die alten Ordnungen, Nassau-Weilburg erhielt 1802 als Entschädigung für verlorenen linksrheinischen Besitz die rechtsrheinischen Teile von Kurtrier. Durch die Rheinbundakte wurden dem Herzogtum Nassau, der Fürsten von Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg 1806 die wiedschen Fürstentümer einverleibt. Gleichzeitig wurden die nassau-oranischen Ämter und die Herrschaft von Westerburg dem französischen Großherzogtum Berg zugeteilt. Der Prinz von Oranien erhielt 1813 diese Landesteile zurück, die jedoch schon 1815 durch einen Austausch an’s Herzogtum Nassau kamen.
Damit war das Land zum ersten Mal in einem größeren Flächenstaat vereinigt. Verwaltet wurde es im heutigen Kreisgebiet von den nassauischen Ämtern Montabaur, Wallmerod, Selters, Marienberg und Hachenburg. Vorübergehend, und zwar von 1849 bis 1854, war die Verwaltung in größeren Kreisämtern vereinigt. Damals war Hachenburg zugleich für Marienberg und Selters zuständig, während Rennerod nach Herborn, Wallmerod nach Hadamar und Montabaur nach Nassau zugeteilt wurden.
Als das Herzogtum Nassau 1866 Preußen als Sieger zufiel, wurde es als Regierungsbezirk Wiesbaden der Provinz Hessen-Nassau zugeteilt. Nach preußischem Vorbild wurden 1867 Landkreise eingerichtet, der Oberwesterwaldkreis in Marienberg für die Ämter Hachenburg, Marienberg und Rennerod, der Unterwesterwaldkreis mit den Ämtern Montabaur, Selters und Wallmerod. Angesichts gestiegener Verwaltungsaufgaben wurden 1885/86 im Zusammenhang mit dem Erlass einer Provinzial- und einer Kreisordnung für die Provinz Hessen-Nassau die Kreise des Regierungsbezirks Wiesbaden neu abgegrenzt und von 12 auf 18 erhöht, dabei in der Westerwaldregion ein dritter Kreis eingerichtet, der Kreis Westerburg, zu dem der Oberwesterwald das Amt Rennerod und der Unterwesterwald das Amt Wallmerod sowie einige Ortschaften des Amtes Selters abtrat.
So vollzog sich der Gang der Geschichte im Westerwälder Land von 1866 innerhalb dreier Kreise bis 1932 im Zuge einer Verwaltungsreform, die von der Weltwirtschaftskrise hervorgerufen worden war, der Kreis Westerburg mit dem alten Oberwesterwald zu einem neuen Oberwesterwaldkreis mit Sitz in Westerburg zusammengeschlossen wurde.
Unter wiederum neuen Gegebenheiten wurden 1974 Ober- und Unterwesterwald zum heutigen Westerwaldkreis mit Sitz in Montabaur zusammengeschlossen. Mit dieser Kreisgründung ist der Kernraum des Westerwaldes nach langer Zeit aus dem Schattendasein reiner Grenzregionen herausgetreten, das über Jahrhunderte in der Konkurrenz verschiedener Landesherren sein Schicksal bestimmte und manche positive Entwicklung verhinderte.
Lage und Landschaft
Der Westerwaldkreis liegt im Nordosten des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, im Dreiländereck mit Nordrhein-Westfalen und Hessen. Somit geographisch exakt in der Mitte der alten Bundesländer und auch im Herzen Europas. Er grenzt im Norden an die Landkreise Altenkirchen (Rheinland-Pfalz) und Siegen-Wittgenstein (Nordrhein-Westfalen) und im Osten an die hessischen Landkreise Lahn-Dill und Limburg-Weilburg. Zu den weiteren „Nachbarn“ in Rheinland-Pfalz zählen der Rhein-Lahn-Kreis im Süden sowie die Stadt Koblenz und die Kreise Mayen-Koblenz und Neuwied im Westen.
Das Kreisgebiet umfasst den Kernraum des Westerwaldes, jener Mittelgebirgslandschaft zwischen Rhein und Dill, Lahn und Sieg. Es erstreckt sich vom Rande des mittelrheinischen Beckens und den Unterlahnhöhen über die Montabaurer Senke, das Kannenbäckerland, den Oberwesterwald und den Hohen Westerwald bis kurz vor Siegen.
Der Naturpark Nassau mit dem Buchfinkenland, die romantischen Täler von Gelbach, Brexbach, Saynbach und Nister, die Kroppacher Schweiz, die Westerwälder Seenplatte, die Krombach- und Breitenbachtalsperre, herrliche Wälder, sanfte Täler und ein gesundes Klima verleihen der Landschaft ein hohes Maß an natürlicher Attraktivität.
Die größte Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 44 km Luftlinie, die größte Ost-West-Ausdehnung 40 km. Höchster Punkt ist die Fuchskaute im hohen Westerwald mit 657 m; im Gelbachtal unterhalb von Dies liegt der niedrigste Punkt mit 150 m.
Das Klima im Westerwald ist besser als sein Ruf. Bei einem Höhenunterschied von fast 500 m herrschen nicht überall dieselben klimatischen Verhältnisse. Aber selbst in Höhenlagen sind die Niederschlagswerte, Windgeschwindigkeiten und Temperaturen günstiger als in vergleichbaren Höhenlagen des rheinischen Schiefergebirges. 40,2 % der Kreisfläche und 988,79 qkm sind bewaldet.
Aktivzone zwischen Ballungsräumen
Sich von Altbekannten zu verabschieden, fällt oft schwer. Selbst wenn es (nur) alte Vorurteile sind. Lange Zeit war der Westerwald Synonym für den kalten Wind, der klagend über karge, kahle Höhen streicht, galt die Region zwischen Rhein, Lahn, Sieg und Dill als rückständig, weltfern, als „Land der armen Leute“. Doch der vielzitierte Wind ist allenfalls frisch und er sorgt für klare Köpfe. Und so ist der Westerwald auf der Schwelle eines neuen Jahrhunderts und Jahrtausends ganz anders als das Klischee. Nehmen Sie sich Zeit, ihn neu und näher kennen zu lernen, besonders sein Herz- und Kernstück, den Westerwaldkreis.
Mit Ideenreichtum und Einsatzbereitschaft haben die „Wäller“, wie sie sich selbst nennen, ihr Land aus dem Dornröschenschlaf erweckt und zu einer Aktivzone zwischen den großen Ballungsräumen gemacht. Im Norden grenzt es an das Siegerland, im Südosten an den Wirtschaftsraum Limburg-Diez, im Südwesten an den Verdichtungsraum Koblenz-Neuwied; der Rhein-Main- und Rhein-Ruhr-Raum liegen jeweils eine Autostunde entfernt.
Mit all diesen Wirtschaftszentren ist der Kreis durch ein dichtes Netz gut ausgebauter Verkehrswege verbunden. Die wichtigste Funktion als Lebensadern fällt dabei den Autobahnen Köln-Frankfurt (damit über die Flughäfen Rhein-Main und Köln-Bonn Zugang zum internationalen Luftverkehrsnetz), Dernbacher-Dreieck/Trier/Luxemburg und Dortmund-Frankfurt sowie dem Verkehrskorridor am Rhein zu (Schiene). Der Westerwald hat „Anschluss an die Zukunft“. Dazu kommt in einigen Jahren die Schnellbahn Köln-Frankfurt mit einem Haltepunkt in unserem Raum.
In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sich ein dynamischer Strukturwandel mit starker Zunahme der Beschäftigten vor allem im Dienstleistungsbereich (+ 35 %) vollzogen. Damit verbunden war eine gesunde Auflockerung der Industrie, so dass nun ein harmonisches Nebeneinander der „klassischen“ Westerwälder Betriebe der Basalt- und Tongewinnung und -verarbeitung mit Unternehmen der Kunststoff- und Maschinenbaubranche, der Glaserzeugung und -veredelung sowie mit Sägewerken und Textilbetrieben besteht. Dies bedeutet für den Raum Wirtschaftskraft und Krisenfestigkeit.
Ein weiterer Faktor, der sich stabilisierend auswirkt, ist die ausgeprägt mittelständische Struktur der Unternehmenslandschaft. Zwar gibt es auch einige Großunternehmen - doch die große Menge der Betriebe ist eher „handlich“. „Groß und klein“ machen u.a. durch Erfindergeist und Innovationskraft von sich reden. So haben bei der Technologieförderung des Landes die Unternehmen im Westerwald „die Nase vorn“. Dabei hilft auch das hier ansässige „Forschungsinstitut für anorganische Werkstoffe Glas/Keramik GmbH“, die einzige öffentlich getragene Forschungseinrichtung im nördlichen Rheinland-Pfalz.
Frisch wie der Wind (Tourismus)
Eine Naturschönheit mit Charakter lädt Sie ein und will erkundet werden. Ob mit dem Rad, per Pedes oder mit dem Auto, es gibt viele Möglichkeiten, die Natur und die Sehenswürdigkeiten unserer Landschaft kennen zu lernen und zu erleben.
Fangen wir doch einmal „unten“ an. Im Gelbachtal, mit 150 m N.N. dem tiefsten Punkt des Westerwaldes. Von Montabaur aus durch das romantische Gelbachtal, vorbei an der Wallfahrtskirche von Wirzenborn (14. Jh.) weiter ins Buchfinkenland zum Wild- und Freizeitpark Westerwald in Gackenbach, wo sie neben zahlreichen freilaufenden Tieren (Rehe, Hirsche, Sauen etc.) die mit über 400 m längste Sommerrodelbahn des Westerwaldes finden. Über Hübingen, Niederelbert, (Preisträger im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ 1996 auf Landes- und Bundesebene) erreichen wir die Montabaurer Höhe (Abstecher zum Köppel 540 m N.N. mit 40 m hohem Aussichtsturm und ganzjährig bewirtschafteter Hütte) und weiter ins Kannenbäckerland. In zahlreichen Töpfereien kann man den Töpfern bei der Herstellung der Westerwälder Keramik über die Schulter schauen. Die Kannenbäckerstraße erschließt dieses Erlebnis einer Kulturlandschaft. Hillscheid (Heimatmuseum, rekonstruierter Limes) und Höhr-Grenzhausen (Keramikmuseum des Westerwaldes, Burg Grenzau, Tischtennis Olympiastützpunkt Sporthotel Zugbrücke) sind erste Stationen. Wir bleiben auf der Kannenbäckerstraße über Ransbach-Baumbach bis Mogendorf und fahren weiter über Selters, Maxsain (sehenswertes Fachwerthaus), bis Hartenfels (Burgruine Hartenfels „Schmaddippe mit 28m hohem Burgfried). Von dort gelangen wir an die Westerwälder Seenplatte. Die sieben Seen der Westerwälder Seenplatte verfügen zusammen über eine Wasserfläche von ca. 252 ha. Neben den zahlreichen Wassersportmöglichkeiten finden sie hier im Naturschutzgebiet zahlreiche vom aussterben bedrohte Vogel- und Pflanzenarten. Von der Seenplatte aus führt der Weg über Steinebach (Burgruine) in die mittelalterliche Stadt Hachenburg, auch das Rothenburg des Westerwaldes genannt (Marktplatz, Landschaftmuseum des Westerwaldes, größte Caddilacsammlung der 50er Jahre). Weiter geht in die Kroppacher Schweiz. Vorbei am Kloster Marienstatt (Basilika im gotischen Baustil 1222) nach Limbach (dorfökologischer Lehrpfad, Heimatmuseum). Über Nister gelangen wir nach Bad Marienberg, dem einzigsten Heilbad des Westerwaldes (Basaltpark, Wildpark, Aussichtspunkt Westerwaldblick, Wolfssteine Naturdenkmal). Von Bad Marienberg geht’s über Hof (Indoorcartanlage) zum höchsten Punkt des Westerwaldes, der Fuchskaute (657 m N.N.). Von der Fuchskaute weiter über Rehe (historisches Rathaus) über Rennerod zum 80 ha großen Wiesensee, wo man zahlreiche Wassersportarten betreiben kann. Über Seck (Holzbachschlucht), Gemünden geht es weiter nach Salz (kath. Pfarrkirche St. Adelphus romanische Pfeilerbasilika mit spätgotischem Chor 1150-1250), Wallmerod (Schloss Molsberg 1760) zurück nach Montabaur (Schloss Montabaur, Wolfsturm, Fußgängerzone mit Marktplatz, kath. Pfarrkirche St. Peter in Ketten 14./15. Jh., Fuhrmannskapelle, historische Altstadt).